Aktuelles

Aktuelles

Zum Verhältnis von strafrechtlicher Sanktion und Kostenfolge durch nicht mehr im Verhältnis stehenden Sachverständigenkosten

1.
Zum Verhältnis von Sanktion und Kostenfolge eine Anmerkung zu BVerfG, Beschl. vom 28.12.2020 –2 BvR 211/19 (2.Kammer).

Das Thema Sanktion und Kostenfolge kann auch in Konstellationen eine Rolle spielen, in denen der Mandant nicht zu einer Geldstrafe, wie in dem von Herrn Kollegen Pauli besprochenen Fall, verurteilt wurde, sondern, wie hier, zu einer Freiheitsstrafe.

2.
Im Rahmen eines Arztstrafverfahrens waren Sachverständigenkosten in Höhe von über 360.000,00 EUR angefallen und das bei einer festgestellten Schadensumme von knapp 42.000,00 EUR (Mindestschaden unter Berücksichtigung des unteren Wertes der budgetären Verteilung).

Bereits im Ermittlungsverfahren habe ich auf diese krasse Diskrepanz hingewiesen, zumal die Staatsanwaltschaft die Schadenssumme und auch die anfallenden Kosten zu jeder Zeit im Blick hatte. Konsequenzen wurden hier, das hatte ich auch nicht erwartet, nicht gezogen.

Der Verteidiger tut aber gut daran, über die tatsächlichen Kosten jederzeit informiert zu sein, indem er sich das Kostenheft, so es denn existiert, beizieht. Denn macht man das nicht und lässt die angefallenen Kosten völlig außer acht, wird es nachher bei der Frage der Kostenfestsetzung ungleich schwerer, die vom Mandanten grundsätzlich zu tragenden Kosten nach § 465 Abs. 1 S. 1 StPO argumentativ zu reduzieren und die in der Folge tätige Staatsanwaltschaft wird sich ohne Not auf § 465 Abs. 1 S. 1 StPO berufen können.

3.
Wenn ich auch im Ermittlungsverfahren noch kein entsprechendes Gehör hatte, so dann doch im gerichtlichen Verfahren.

Hier wurde in den Urteilstenor im Rahmen der Kostenentscheidung aufgenommen, dass die Sachverständigenkosten nicht verhältnismäßig zum entstandenen Schaden stünden.

Weiter wurde in den Blick genommen, dass auch fraglich war, ob die Übertragung von allen Aufgaben an Sachverständige erfolgen musste und auch der erforderliche Umfang der Sachverständigentätigkeiten infrage gestellt. Denn es dürfte bekannt sein, dass die Staatsanwaltschaft solche Aufgaben nicht an externe Firmen weitergeben darf, die sie selbst erledigen kann und für die sie keine sachverständige Unterstützung benötigt.

In der Gesamtschau dieser von der Verteidigung vorgetragenen Punkte hat das Landgericht die Sachverständigenkosten um ca. 75% reduziert.

4.
In der Folge ist die Staatsanwaltschaft bei ihrer Gerichtskostenrechnung genau dem gefolgt, was das Gericht in seinem Urteil als verhältnismäßig und angemessen angesehen hatte.

5. Fazit
Sachverständigenkosten, die schnell mal den fünfstelligen Bereich knacken können, sollte man nicht erst im Zeitpunkt des Urteils im Blick haben.

Nicht nur bei einer möglichen doppelten Kostenbelastung durch eine Verurteilung zu einer Geldstrafe, sondern auch bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe kann es sich lohnen, Verfahrenskosten, die unverhältnismäßig sind, oder aus anderen möglichen Gründen zu beanstanden sind, im Blick zu haben und das Gericht insoweit frühzeitig zu sensibilisieren.

Denn dies eröffnet der Verteidigerin/dem Verteidiger die Möglichkeit, dass sich das Gericht dann in seinem Urteil im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung damit befasst. Wenn das Gericht hier im Urteil bereits eine Segelanweisung gibt kann davon ausgegangen werden, wird sich die Staatsanwaltschaft sich dem in der Regel wohl kaum widersetzen können.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Marc von Harten, Bad Homburg/Frankfurt/M.

Eine Antwort hinterlassen

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*

captcha Bitte Code eintragen

* Die bezeichneten Felder sind Pflichtfelder.